Die Abgelehnten (#12): Der Wahnsinn der zweiten Losrunde | FAQ Teil 1

Die Abgelehnten (#12): Der Wahnsinn der zweiten Losrunde | FAQ Teil 1

Hallo zusammen,

soziale Gerechtigkeit kann man von vielen Seiten denken. Der eine bemüht sich um gleiche Rechte und Chancen für alle, strebt also nach einer ausgewogenen Ausgangsage. Die andere tritt für ein möglichst gleiches Ergebnis an, strebt also nach der sogenannten Verteilungsgerechtigkeit. Ob einem nun Teilhabegerechtigkeit oder Ergebnisgleichheit näher liegen, ist letztlich eine Frage des Menschenbildes. Tatsächlich kennt die Theorie noch einige weitere Konzepte der Gerechtigkeit. Ich will nur noch eine erwähnen, damit das hier nicht zur Vorlesung wird: die Verfahrensgerechtigkeit. Sie fordert, in einem Prozess Regeln der Fairness walten zu lassen.

Und damit rutschen wir direkt rein in die Praxis der sogenannten Schulplatzvergabe dieser Tage in Köln.

Ich musste in den vergangenen Tagen häufig an alle drei Konzepte von Gerechtigkeit denken. Vor allem am Montag: Da haben wir mit rund 250 Eltern und Kindern vorm Kölner Rathaus protestiert gegen die Schulplatzknappheit und gegen die Unzulänglichkeiten im sogenannten Vergabeverfahren, mit dem die Stadtverwaltung in diesen Tagen abermals versucht, ihre zu wenigen Schulplätze auf die vielen Kinder zu verteilen, die bis heute nicht wissen, an welcher Schule ihr Bildungsweg ab dem Sommer weitergeht.

Wir waren laut, wir waren deutlich – und dann waren wir drin: im Schulausschuss der Kölner Rates haben wir auf Einladung des Ausschusses (Dank Maria Westphal von der FDP ,die den Vorschlag machte und an des Ausschussvorsitzenden Helge Schlieben von der CDU, der die Demo schließlich in den Saal holte) die Besuchertribüne komplett besetzt – und auch damit eine fast 90 Minuten lange politische Debatte erzwungen: Über eine Platzvergabe, die Familien wochenlang im Unklaren lässt. Die voller Ungereimtheiten steckt. Und bei der die Verwaltung bewusst wesentliche Informationen vorenthält, die nötig wären, um die Chancen bei der zweiten Runde der Schulplatzverlosung ordentlich einschätzen zu können. Über all das haben in den vergangenen Tagen folgerichtig auch viele Medien breit berichtet.

Der WDR war mit einem Reporterteam vor Ort, berichtete ausführlich im Netz, im Radio und im TV, auch Radio Köln war auf Sendung. Die Kölnische Rundschau, der Kölner Stadt-Anzeiger (KStA) und der Express begleiteten die Protestaktion mit ausführlichen Artikeln. Selbst die Tagesschau sendete zur Hauptnachrichtensendung am Abend um 20 Uhr vor rund sieben Millionen Menschen einen Bericht über die Demo und über das Chaos. Und der SPIEGEL widmete dem „großen Ärger über die Schulplatz-Lotterie“ am Tag darauf den Aufmacher seines Bildungsnewsletters.

Köln ist damit endgültig als negatives Beispiel für das Versagen bei der Versorgung mit Schulplätzen und den Umgang mit den Familien bei der Mangelverwaltung etabliert. Und das völlig zu Recht und aus eigenem Verschulden, wie KStA-Redakteurin Alexandra Ringendahl bereits in einem langen Kommentar in der Woche zuvor konstatiert hatte. Denn die Stadt, so Ringendahl, sei fahrlässig in das diesjährige Anmeldeverfahren gegangen:

„Ohne eine einzige neue Schule im Provisorium, ohne Plan B und mit der unbeirrbaren Hoffnung, dass es ja vielleicht doch nicht so schlimm kommen möge, weil vielleicht noch viel mehr Familien als im letzten Jahr aus Angst gleich in Pulheim, Dormagen oder Hürth anmelden. Gleichzeitig suggeriert man den Eltern, sie hätten einen Zweitwunsch.“

Über das unerträgliche Schweigen des Schuldezernats in dieser Sache war auch schon zu lesen, unter anderem im Newsletter #11. Nun, beim Besuch der Abgelehnten im Rathaus, war die Verwaltung zum ersten Mal öffentlich gezwungen, Stellung zu beziehen. Sie sprach viel, sagte aber wenig. Die Fragen von Politik, Stadtschulpflegschaft, Eltern und Kindern (die sich bei der Sitzung ausnahmsweise äußern durften) blieben überwiegend unbeantwortet.

So blieb die Verwaltung auch bei ihrer Haltung, die Zahl der noch vorhandenen Schulplätze an einzelnen Schulen nicht zu beziffern. Die Stadt, so die Begründung, wolle den Ruf einzelner Schulen nicht beschädigen, die nur wenige Anmeldungen erhalten hatten. Allerdings könnten und sollten Eltern die Zahl an den Schulen selbst erfragen. Eine überaus seltsame Botschaft, als hinge der Ruf einer Schule davon ab, wer die Zahl der Bewerbungen nenne: die Stadt oder das Sekretariat.

Die Stadt verteilt Plätze, die es gar nicht gibt – und verschweigt andere

Fragen gab es auch zu einer anderen Seltsamkeit: Auf den Ablehnungsbescheiden tauchten an oberster Stelle nämlich drei Gesamtschulen aus dem Südwesten der Stadt auf, von denen zumindest zwei (Lindenthal und Rodenkirchen) zum Start des Bewerbungsverfahrens gar keine Plätze mehr anzubieten hatten. Nach beharrlichen Hinweisen durch unsere Initiative veröffentliche die Stadt diesen Fakt am Freitagnachmittag kurz vor Verfahrensstart immerhin online und korrigierte dort die Liste.

Eltern, die nicht in Netz schauten, informierte man aber nicht. Ein Hinweis, vor Abgabe der Bewerbung noch mal nach aktuellen Informationen im Netz zu schauen, fehlte im Ablehnungsschreiben jedenfalls. Wer das nicht tat, dem entging auch, dass sich beim HMG in Chorweiler zwischenzeitlich noch einige Restplätze auftaten. Und das Genoveva-Gymnasium in Mülheim schaffte es bin zum Bewerbungsschluss am Freitag auf gar keine offizielle Liste der Stadt – obwohl auch dort laut eigener Website noch zwei Plätze vakant waren. Anders gesagt: Die Stadt schickte Kinder in der zweiten Runde in aussichtslose Bewerbungen und enthielt ihnen zugleich in einer akuten Mangellage freie Plätze anderswo vor.

Die Krönung dieser Seltsamkeit: Gesamtschulen haben in dem ganzen Verfahren gar nichts verloren. Denn das Gesamtschulverfahren hatte die Stadt bewusst vorher abgeschlossen – mit rund 700 Ablehnungen. Warum nun trotzdem zwischenzeitlich noch Plätze an drei Gesamtschulen frei waren frei waren und warum man diese nicht den Kindern anbot, die beim vorgezogenen Verfahren leer ausgegangen waren, das weiß die Schulverwaltung allein – und behielt es trotz mehrerer Nachfragen für sich. So wie die Antwort auf viele weitere Fragen.

Stattdessen lobte sich die Stadt gleich mehrfach für das „straffere Verfahren“ und verwies abermals darauf, dass man ja für Verlosungen nix könne, weil das die Schulen für sich entschieden. Beides nur so halb richtig. Zur Verfahrenslänge kommen wir gleich noch, zum Verlosungsargument schon mal dies: Richtig ist: Die Anwendung des Losverfahrens liegt im Ermessen jeder einzelnen Schulleitung, darüber haben wir schon öfter und ausführlich berichtet.

Falsch ist aber, dass die Stadtverwaltung deshalb raus ist aus der Sache.  Denn sie allein hat entschieden, auf die erste Bewerbungsrunde noch eine zweite folgen zu lassen, bei der die Loskriterien dann erneut zur Anwendung kommen müssen. Ein solche zweite Verfahrensrunde ist in den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften (APO-SI) nicht vorgesehen. Mit anderen Worten: Es ist die Verwaltung, die die Schulen dazu zwingt, Restplätze zu verlosen. Indem sie die zweite Verfahrensrunde anberaumt.

Der Unsinn einer zweiten Runde

Eine zweite Verteilrunde exakt nach dem Muster der ersten Runde ist im Kern unverständlich. Denn auf die erste Runde eine zweite Verfahrensrunde nach denselben Spielregeln anzubieten, führt unter den Bedingungen struktureller Platzknappheit zu einem vom Zufall dominierten und damit denkbar schlechten Ergebnis.

Der Grund: Nach Absage der Erstwahlschule und der sogenannten Zweitwunschschule ändert sich die Lage in den betroffenen Familien fundamental. Die Träume von der freien Schulwahl sind zerplatzt, die Kriterien, die dazu motiviert haben mögen (Pädagogische Konzepte, Schwerpunkte, Personal, Ruf, Entscheidungen von Freundinnen und Freunden, Schulweg…) fallen weg. Es geht jetzt bloß noch darum, sie bei den Resten vom Schulplatzbuffet dort anzustellen, wo vermeintlich noch die größte Chance besteht, doch noch einen Platz abzubekommen.

Ab sofort interessieren sich Kinder und Eltern zwei Kriterien:

A) Kommt mein Kind einigermaßen gut hin?

Die Entfernung spielt schon bei der Erstwahl eine große Rolle, wie spätestens die jüngste 4nach5-Elternbefragung offenbart hat. Drei Viertel der Kinder bleiben schulformübergreifend sogar im selben Stadtbezirk – die ‚Verweiltendenz‘ ist stark:

„Die Abfolge im Entscheidungsprozess der Eltern gestaltet sich derart, dass maßgeblich nach der Schulform entschieden wird und darauf aufbauend die passende Schule gesucht wird. Dabei ist die Entfernung zur weiterführenden Schule sehr wichtig. Vereinfacht darf festgehalten werden, dass nahezu 100% der Eltern die weiterführende Schule in der Nähe wählen möchten. Der Zusammenhang, dass Eltern höheren Bildungsstandes weitere Wege in Kauf nehmen, kann explizit nicht bestätigt werden.“

B) Muss mein Kind den Weg in die fremde Schule nicht allein, ohne eine Freundin oder einen Freund antreten?

Ohne eine ordnende Hand, die die Restplätze nach diesen beiden Kriterien aussucht und zuweist, geht es nicht. Beide Kriterien sind aber keine zulässigen Aufnahmekriterien für die einzelnen Schulen, allenfalls die Entfernung in Kilometern wäre hier noch zulässig, nicht aber so etwas wie die Verkehrsanbindung. Vielmehr begünstigt eine Verlosung – und darauf läuft die Sache an den Schulen überwiegend hinaus – das genaue Gegenteil. Denn hier lässt man die Kinder gegen- statt miteinander um knappe Plätze antreten. Und die Wegefrage wird komplett ignoriert, abgesehen davon, dass die Eltern ihr Los nur in die Trommel einer Schule werfen werden, die einigermaßen gut erreichbar scheint.

Das Los weist die Schulrestplätze nach einem ganz anderen Kriterium zu, das niemand will, der eine Wahlentscheidung treffen möchte: dem Zufall. Ein Glücksspiel lässt eben keine Wahl.

Es zieht sich: Die Verfahrenslänge

Nachdem die Verwaltung sich im Schulschuss am 6.3. noch mehrfach für die „Straffung“ des sogenannten Verfahrens lobte, wirft man den Zeitplan, den man sich noch im November vom Ausschuss hatte absegnen lassen, offenbar gerade heimlich still und leise über den Haufen. Denn danach sollten ab dem 13.3. (also heute) die Bescheide zu den Eltern kommen. So steht es auch noch in einer Pressemitteilung vom 21. Februar:

„Die Entscheidungen über die Aufnahme nach der zweiten Anmelderunde werden ab Montag, 13. März 2023, mitgeteilt.“

Von den Infoseiten der Stadt zum Verfahren ist dieser Termin in der vergangenen Woche aber verwunden. Heute (13.3.) steht dort stattdessen:

„Weitere Informationen zur Mitteilung der Aufnahmeentscheidung werden wir in Kürze hier veröffentlichen.“

Eltern berichten von Gesprächen mit den Schulen, dass man dort vage von Bescheiden „vor Ostern“ ausgeht. Auf der Website des Apostelgymnasiums steht:

„Der Versand der schriftlichen Mitteilung über eine Aufnahme bzw. Nichtaufnahme erfolgt voraussichtlich Mitte/Ende März 2023.“
Ein Bild, das Text enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Für Eltern und Kinder ist es sicher kein unwichtiges Detail, ob sie wissen, wann der Bescheid kommt – oder nicht. Leider deutet sich hier aber an, dass die Verwaltung den politischen Beschluss für ein besonders straffes Verfahren gerade wieder kassiert hat. Und das auch noch, nachdem sie sich wenige Tage vorher im Ausschuss selbst zum straffen Terminplan gratulierte.

Das große Wort Gerechtigkeit

Bleibt für das Fazit die große Frage: Ist das sogenannte Verfahren nun wenigstens gerecht?

Nun, von Teilhabegerechtigkeit wird angesichts der dokumentierten Unsauberkeiten kaum jemand ernsthaft sprechen können. Allein der Irrsinn um die Vergabe der Gesamtschulplätze führt zu ungleichen Chancen, Jungen haben am Apostelgymnasium schlechtere Karten als Mädchen, von den freien Plätzen am Genoveva werden längst nicht alle erfahren haben – und da die Stadt sich weigert, die Zahl der verfügbaren Plätze an den Schulen zu nennen, ist es ein Glücksspiel mit ungleichen und unbekannten Chancen.

Ergebnisgleichheit brauchen wir hier nicht zu thematisieren. Es gibt keinen Ausgleich zwischen Plätzen, im Gegenteil: Die Verwaltung hat sogar den Tausch von Schulplätzen untersagt. Falls also das Los zwei gelichermaßen unsinnige Entscheidungen treffen sollte, die sich leicht im Nachgang durch Umkehrung beheben ließen, wird man mit einem solchen Ansinnen abprallen.

Bliebe die Verfahrensgerechtigkeit, die es unter dem Schlagwort Vertrauensschutz sogar ins deutsche Verwaltungsrecht geschafft hat. Ob das sogenannte Vergabeverfahren diesen Test besteht und als verlässlich in die Geschichte eingeht? Ich bin und bleibe skeptisch.

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FAQ – Teil 1

Ich hatte eine FAQ-Ausgabe versprochen, nun hält uns das Verfahren weiter auf Trab, zumal das Interesse an Berichterstattung an all den Unzulänglichkeiten und dem Irrsinn der Schulplatzvergabe à la Cologne weiterwächst. Auch der Protest geht weiter – wie, dazu melden wir uns sicher wieder. Daher hier erst mal ein Anfang – mit einem ersten Schwung relevanter Fragen aus den vergangenen Tagen und Wochen.

Ich hatte einen Platz, doch dann hat die Schule gemerkt, dass sie einen Fehler gemacht hat – und mir die Zusage wieder weggenommen. Geht das denn?

Tja, man ahnt es schon: In so einem Verteilverfahren passieren Fehler. Der vielleicht krasseste Fall dieses Jahres: Eine Mutter berichtete mir, dass sie vor wenigen Wochen umgezogen ist. Die Schule, die Plätze nach Entfernung vergeben hatte, hatte fälschlicherweise die alte Adresse zugrunde gelegt und das Kind aufgenommen. Als man das erkannte, vermutlich, weil die Post mit der Zusage zurückkam, rutschte das Kind aus der Zusageliste. Zu weit weg. Besonders bitter: Der Umzug war bloß von der einen auf die andere Straßenseite. Trotzdem wohnte nun ein anderes Kind näher.

Die Rücknahme der Platzzusage ist nun tatsächlich nicht nur rechtmäßig – sondern unausweichlich. Denn es handelt sich dabei technisch um die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Anders gesagt: Es war hier ein offensichtlicher Fehler, der korrigiert wurde.

Was ist eigentlich mit den Zweitwünschen passiert?

Sie sind komplett irrelevant. Waren lediglich Zustellhilfen für die Bewerbungsformulare. Falls jemand eines der zehn Gymnasien mit noch freien Plätzen in dieses Feld geschrieben hatte, schickte die eine Schule den Anmeldebogen an die andere weiter statt an die Eltern zurück. Ob das auch für HMG Chorweiler und Genoveva in Mülheim galt, die erst später wieder freie Plätze nachmeldeten, wissen wir nicht. Auch was mit etwaigen Zweitwünschen im Gesamtschulverfahren passiert ist, wissen wir nicht. Wer was weiß: gern melden.

Wie werden die freien Plätze an den Gesamtschulen in Lindenthal und Rodenkirchen nun vergeben? Und wie viele freie Plätze sind es?

Siehe oben: Die Schulen haben keine Regelplätze mehr (in Rodenkirchen gibt es wohl lediglich noch Plätze mit sonderpädagogischem Bedarf). Die Europaschule hat Plätze vergeben an Eltern, die sich dort gemeldet haben – unabhängig vom Gymnasialverfahren.

Wie konnte das Anmeldeverfahren an Gesamtschulen für abgeschlossen erklärt werden, ohne dass Eltern über diese Restplätze informiert wurden?

Da ist eine sehr gute Frage, genau wie die Frage, wie diese Schulen überhaupt als Anlaufstellen auf das Begleitschreiben der Abgelehnten gekommen sind. Denn die Gesamtschulen waren nie Teil des Verfahrens. Die Verwaltung hat Fragen dazu beim Schulausschuss schriftlich eigereicht bekommen. Antworten stehen noch aus.

Inwieweit entsprechen die Schulplatzwünsche den Schulformempfehlungen? Wie ist das Verhältnis der Empfehlungen für die verschiedenen Schulformen?

Dazu gibt es ausführliche Daten aus der oben schon verlinkten Elternbefragung 4nach5 aus dem Jahr 2022:

Dieses Wimmelbild zeigt im Wesentlichen: In den vergangenen Jahren sind durchgängig über 90% der Kinder mit Gymnasialempfehlung auch auf ein Gymnasium gegangen – und rund ein Zehntel dieser Kinder auf einer Gesamtschule. Von den Kindern mit eingeschränkter Gymnasialempfehlung (RS+) sind etwa die Hälfte aufs Gymnasium gewechselt, um die 40% besuchen eine Gesamtschule, ein Zehntel eine Realschule. Wichtig: Für die Gesamtschule gibt es ja keine „Übergangsempfehlung“ – hier sammeln sich also SuS aller Empfehlungsformen.

Umkehrprobe: Die meisten SuS, die die Grundschule verlassen, wechseln (nicht nur) in Köln auf ein Gymnasium. In den vergangenen Jahren waren das zwischen 45 und 48% aller Kinder. Gut ein Viertel (26 bis 28%) haben auf eine Gesamtschule gewechselt, ungefähr ein Fünftel (18 bis 21%) auf eine Realschule und 5 bis 6% auf eine Hauptschule.

Wichtig zu wissen: Die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen lag zuletzt regelmäßig um rund ein Viertel höher als das Angebot.

Wie viele Gymnasialplätze fehlen?

Der nun schon mehrfach zitierte Bericht geht davon aus, dass in Köln die Nachfrage nach Gymnasialplätzen rund 20% über dem Platzangebot liegt. Die Lücke kann nur durch die Ausnahmeregelungen wie große Klassen (das allein schafft stadtweit rund 400 Plätze) oder Mehrklassen (bzw. zusätzliche Züge, in diesem Jahr 4) geschlossen werden.

Das entspräche rund 600 Plätzen unter Soll. Auch nach den Berechnungen der Stadt selbst fehlen in etwa Plätze in dieser Größenordnung, und es wird sich die massiven Lücke in den kommenten Jahren auch nicht schließen. Frühestens 2027 könnte mit großem Optimisus ein wenig Entspannung einkehren. die Voraussetung, dass bis dahin „alle projektierten Baumaßnahmen festiggestellt" sein müssten, klingt eher nach den Erfahrungen der Vergangenheit allerdings nicht sehr vertrauserweckend.

Ob die Nachfrage tatsächlich genauso hoch wäre, wenn genug Gesamtschulplätze da wären, weiß man übrigens nicht. In der 4nach5-Studie heißt es dazu: „So können z.B. Eltern von Kindern mit einer Gymnasialempfehlung, die lieber eine Gesamtschule anwählen wollten aber keinen Platz bekommen haben, nun einen Gymnasialplatz nachfragen gleichwohl sie keine Präferenz für ein Gymnasium haben.“

Wie ist die Lage an den Realschulen? Bisher gehe ich davon aus, dass nicht grundsätzlich Plätze fehlen, sondern es an einzelnen Schulen zu Überhängen kommt. Und entspricht die Anzahl der Kinder mit Hauptschulempfehlung der Anzahl der Plätze, die an Haupt- und Gesamtschulen zur Verfügung stehen? Oder liegt sie darunter?

Real- und Hauptschulplätze sind in Köln grundsätzlich ausreichend bzw. über Bedarf vorhanden. Bei einzelnen Schulen gibt es aber hohe Nachfrage. In den Stadtbezirken Kalk und Porz ist die Nachfrage nach den dortigen Realschulen besonders unterschiedlich. Hier müssen also voraussichtlich besonders viele Kinder auf eine andere als ihre Wunsch-Realschule wechseln.

Sollte ich bei einer Ablehnung Widerspruch einlegen?

Dafür gibt es gleich zwei Argumente. Das erste: Ein (in der Regel erfolgloser) Widerspruch ist die Voraussetzung für eine spätere Schulplatzklage. Die wiederum hat aber auch nur Aussicht auf Erfolg, wenn man einen Verfahrensfehler nachweisen kann, der dafür verantwortlich ist, dass das einzelne Kind konkret an dieser Schule einen Platz hätte bekommen müssen. Also etwa: Ein anderes Kind ist zu Unrecht aufgenommen worden, und das eigene Kind wäre dadurch reingerückt. Das gibt es manchmal, kommt aber recht selten vor.

Das zweite Argument: Die Ablehnung ist ein Verwaltungsakt, der nach einem Monat automatisch rechtskräftig wird, wenn man nicht widerspricht. Insofern ist die Ablehnung nach vier Wochen endgültig, wenn unwidersprochen. Zur Wahrung etwaiger Chancen im Nachhinein ist mithin ein Widerspruch durchaus sinnvoll. Beispiel: Ein Kind nimmt einen Schulplatz im Nachhinein nicht an, sagen wir fünf Wochen nach der Platzzusage. Dann könnte das eigene Kind womöglich nachrücken – aber eben nur, wenn es wirksam der Absage widersprochen hat.

Kann ich einer Ablehnung widersprechen und trotzdem einen anderen Platz annehmen?

Ja. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Annahme eines Schulplatzes und Widerspruch gegen die Ablehnung anderswo.

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So, FAQ Teil 2 folgt dann beim nächsten Mal. Mailt gern Eure Fragen.

Soweit für erst mal für heute. Und: Daumen gedrückt für Euch alle und für alle abgelehnten Kinder!

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Jamie Larson
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