Die Abgelehnten (#10): EXKLUSIV: Wie die Gymnasien ihre Fünftklässler auswählen
Und, Formular schon in der Schule abgegeben? Die Bewerbungen für die weiterführenden Schulen befinden sich dieser Woche in der heißen Phase. In der letzten Januarwoche hatte die Stadt zunächst noch in einem vorgezogenen Verfahren (wie schon in den Vorjahren und damit wie erwartet erfolglos) versucht, Bewerbungen von diesmal 3.027 Schülerinnen und Schüler auf die 15 städtischen Gesamtschulen zu verteilen. Es kamen dementsprechend in der vergangenen Woche neben 2.322 Zusagen auch 705 Absagen bei den Familien an.
Nun läuft noch bis Freitag (10. Februar) das – Achtung Amtsdeutsch – „Verfahren für das dreigliederige System“. Das ist die Bewerbungsphase an Gymnasien, Real- und Hauptschulen. Für die 705 Kinder startet damit schon die zweite Bewerbungsrunde. Für alle anderen ist es die erste Begegnung mit dem System. Für viele Familien dürfte es leider auch nicht die letzte Begegnung gewesen sein. In den kommenden Wochen wird nämlich erneut eine zweite und nach aller Voraussicht danach auch mnoch eine dritte Runde nötig werden, um alle Kinder mit Schulplätzen zu versorgen.
Denn Schulplätze sind und bleiben in Köln eine Mangelware. Und wie schon in den Jahren zuvor fügt die Stadt dem Versagen, ausreichend Schulplätze zu schaffen, ein zweites Versagen hinzu: Erneut hat man sich nämlich für ein Vergabeverfahren entschieden, das diesen Namen eigentlich nicht verdient. Weil es intransparent, miserabel organisiert und handwerklich voller Fehler ist.
Höchste Zeit für ein Update.
Zuvor ein Einschub: Hier war es ein paar Wochen lang still, und dafür gibt es mehrere Gründe:
1. Es war da eine kleine technische Hürde zu nehmen. Ich musste mit dem Newsletter umziehen, weil unserem bisherigen Dienstleister Revue leider vom neuen Eigentümer Twitter abgeschaltet wurde. Muss sich jetzt hier alles noch ein bisschen ruckeln, aber das wird schon.
2. Zwar war unsere kleine Initiative rege unterwegs, unter anderem bei zwei Sitzungen des Schulausschusses, in ein paar Zeitungen zu lesen und auch beim WDR. Wir haben in enger Abstimmung mit der Stadtschulpflegschaft allerlei Fragen an die Verwaltung und die Politik richten können (siehe unten) und sind auch unsere Kritik losgeworden. Bloß hat sich trotz erheblicher Zweifel daran, dass die Sache diesmal gutgeht, leider niemand unter den Entscheidungsträgern aus der Deckung gewagt und das angeblich frisch ersonnene und doch so altbekannte Bewerbungsverfahren infrage gestellt oder gekippt. Die ziehen es tatsächlich wieder durch. Insoweit gab es auch wenig substanzielle Fortschritte gegenüber dem Newsletter vom 21. November, in dem wir das Verfahren und seine Schwachstellen schon ausführlich gewürdigt haben.
3. Wir hatten ja angekündigt und versprochen, die Kriterien zu recherchieren, nach denen die einzelnen Gymnasien ihre Plätze vergeben. Das hat sich dann doch ein bisschen gezogen. Denn das Interesse an voller Transparenz scheint auch bei den Schulen nicht ganz so ausgeprägt zu sein.
Nun aber der Reihe nach:
Weiterhin ungeklärte Fragen
zum Bewerbungsverfahren
Man muss das man berichten, einfach, weil dieser Vorgang so unglaublich viel darüber erzählt, wie in dieser Stadt Schulpolitik gemacht wird. Am 21. November stand im Schulausschuss im Rathaus noch mal das Anmeldeverfahren auf der Tagesordnung.
Die Verwaltung wollte sich hier von den Parteien den Zeitplan absegnen lassen. Für uns – vermittelt über die Stadtschulpflegschaft – eine Gelegenheit, noch einmal bisher ungeklärte Verfahrensfragen aufzuwerfen. Nun lief die Ausschusssitzung bereits so drei Stündchen, als der Tagesordnungspunkt zum Aufruf kam. Entsprechend, nun ja, ungeduldig, reagierte der Ausschussvorsitzende Helge Schieben auf die vielen ungeklärten Details. Es könne ja sein, sagte er, dass da noch Fragen zu beantworten seien, aber das hindere den Ausschuss ja nicht daran, jetzt erst einmal abzustimmen. Was der dann auch tat. Ergebnis: Gegen die Stimmen der FDP, die sich gegen das vorgezogenes Gesamtschulverfahren wandte, stimmte der Ausschuss mit dem Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Volt, SPD und Die Linke zu.
Die Verwaltung ließ derweil auf Nachfrage wissen, dass sie die Antworten auf die Fragen teilweise noch gar nicht geben könne, unter anderem, weil sie sich dafür auch noch mit der Bezirksregierung abstimmen müsse. Mit anderen Worten: Trotz des offensichtlichen Klärungsbedarfs stimmten fast alle Ratsvertreter dem Verfahren zu – noch bevor die Antworten vorlagen.
Auf derselben Sitzung hatte sich der Ausschuss wenige Stunden vorher von wissenschaftlicher Seite bestätigen lassen, dass viele Eltern in dieser Stadt freundlich ausgedrückt erhebliche Schwierigkeiten mit den Verfahren der Vorjahre hatten und vor allem eines dringend einfordern: mehr Transparenz. Kurz darauf genehmigen die Ratsmitglieder nahezu einmütig ein Verfahren zu einem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltung dessen wesentliche Regeln offensichtlich noch gar nicht geklärt hat.
Die Antworten auf unsere Fragen gingen dann Anfang Dezember noch ein. Ich dokumentiere sie hier – zum Zwecke der Transparenz:
Vorlage 3731/2022
Fragen der Stadtschulpflegschaft
Wie sehen die Zusagefristen für angebotene Plätze in den jeweiligen Phasen aus?
Antwort: Im vergangenen Anmeldeverfahren waren Rückmeldefristen vorgesehen, um trotz Mehrfachanmeldungen verbindliche Entscheidungen der Erziehungsberechtigten zur Annahme eines Schulplatzes zu erhalten. Erst bei Freiwerden eines Platzangebots konnte der Platz an Nachrücker angeboten werden. Im aktuellen Verfahren sind Mehrfachanmeldungen nicht mehr möglich. Die Erziehungsberechtigten entscheiden sich also schon bei der Anmeldung verbindlich für eine Schule. Daher sind keine Zusagefristen für die Erziehungsberechtigten erforderlich und nicht vorgesehen.
Wird es wieder eine FAQ-Liste auf der städtischen Seite geben. Wenn ja: Wie werden Änderungen zu den Informationen kenntlich gemacht?
Antwort: Auch für das Anmeldeverfahren 2023/2024 wird es eine FAQ-Liste geben, die entsprechend aktualisiert wird. Diese wird zeitnah veröffentlicht. Änderungen werden durch schriftliche Hinweise sowie durch optische Hervorhebungen, wie beispielweise Überschriften, vermerkt.
Ist im vorgezogenen Anmeldeverfahren für die Gesamtschulen auch die Angabe eines schulformübergreifenden Zweitwunschs möglich? Wenn nein: Wie ist dies vereinbar mit dem Grundsatz, dass Eltern prinzipiell aus dem gesamten vorhandenen Angebot die für ihr Kind geeignete und gewünschte weiterführende Schule auswählen können müssen? Wenn ja: Werden diese Bewerbungen dann weitergereicht in das Hauptverfahren? Und gelten diese Wünsche dort dann als Erst- oder Zweitwunschschule?
Antwort: Durch das vorgezogene Anmeldeverfahrens der Gesamtschulen ist dieses vor dem der anderen Schulformen abgeschlossen. Bei einer Absage erhalten die Erziehungsberechtigten die Anmeldeunterlagen zurück und melden ihr Kind an einer neuen Schule an, auf der sie wiederum einen Zweitwunsch angeben können.
Im Vorjahr hatte die Bezirksregierung einen vorzeitigen Abschluss des vorgezogenen Anmeldeverfahrens für Gesamtschulen lt. Auskunft der Verwaltung untersagt. Wieso ist in diesem Jahr davon auszugehen, dass dieses genehmigt/durchgeführt wird?
Antwort: Durch die Möglichkeit der Mehrfachanmeldungen konnten Erziehungsberechtigte ihre Kinder schulformübergreifend an mehreren Schulen anmelden. Für die Rückmeldung der Erziehungsberechtigten zur Annahme eines Schulplatzes galten daher bei den Gesamtschulen die gleichen Fristen wie bei Gymnasien, Haupt- und Realschulen. Das Anmeldeverfahren Gesamtschulen konnte daher nicht vorher abgeschlossen werden. Da die Möglichkeit der Mehrfachanmeldungen im kommenden Schuljahr nicht mehr besteht, kann auch das Anmeldeverfahren der Gesamtschulen früher abgeschlossen werden.
Hat die Verwaltung die Errichtung von Mehrklassen an Gesamtschulen geprüft, um die Chancen im Bewerbungsverfahren zu erhöhen? Wenn ja: Was hat die Prüfung ergeben? Wenn nein: Warum nicht?
Antwort: Die Verwaltung hat bereits in vergangenen Schuljahren die Bildung von Mehrklassen an Gesamtschulen geprüft. Die Einrichtung scheiterte daran, dass die Gesamtschulen in der Regel bereits jetzt sehr große Systeme haben oder räumlich nicht für die Aufnahme einer Mehrklasse aufgestellt waren.
Können Kinder, die einen Gesamtschulplatz zugesagt bekommen, sich im folgenden Gymnasialanmeldeverfahren auch dort auf einen Platz bewerben und den (angenommenen) Gesamtschulplatz anschließend zurückgeben? Oder wird die Verwaltung das untersagen? Wenn Nein: Wie werden daraufhin möglicherweise freiwerdende Gesamtschulplätze nachbesetzt?
Antwort: Kinder, die im vorgezogenen Anmeldeverfahren der Gesamtschulen einen Platz erhalten, können im Anmeldeverfahren des dreigliedrigen Schulsystems nicht erneut angemeldet werden. Die Kinder haben bereits einen Schulplatz an der Erst- oder Zweitwunschschule erhalten und scheiden somit aus dem Verfahren aus.
Lt. Beschlussvorlage 3102/2022 zum neuen Aufnahmeverfahren kann der Zweitwunsch „schulformübergreifend erfolgen“. Wie funktioniert das, wenn das vorgezogene Verfahren bereits abgeschlossen ist? Wird darüber informiert, dass ein schulformübergreifender Zweitwunsch erfolgen kann?
Antwort: Der Zweitwunsch kann in der zweiten Anmeldephase schulformübergreifend erfolgen. Sofern eine Schule keine Zusage erteilen kann, wird sie die Anmeldeunterlagen weitergeben, sofern an der Zweitwunschschule freie Kapazitäten vorhanden sind. Zu Zweitwünschen aus dem vorgezogenen Verfahren s. Antwort zu Frage 3.
In der Beschlussvorlage heißt es: „Mit einer Absage einer Schule im dreigliedrigen Schulsystem erhalten die Erziehungsberechtigten Informationen zu Schulen mit freien Kapazitäten.“ Wie genau wird diese Kapazitätsübersicht aussehen? Vor zwei Jahren hatte die Stadt in der zweiten Anmeldephase lediglich Schulen benannt, aber nicht die Zahl der dort noch verfügbaren Plätze. Ist geplant, dieses Mal die Zahl der Plätze zu nennen, um die Transparenz im Verfahren sowie die „Einschätzung der Erfolgschancen“ zu erhöhen?
Antwort: Die Erziehungsberechtigten erhalten mit dem Absageschreiben eine Auflistung der Schulen, die Kinder aufnehmen können. Bereits vor zwei Jahren hatte die Verwaltung Schulen mit geringen Aufnahmekapazitäten kenntlich gemacht. Für das kommende Anmeldeverfahren ist dies ebenso vorgesehen.
Wie wird die Platzvergabe an jene Kinder organisiert, die auch in der zweiten Anmeldephase eine Absage bekommen?
Antwort: Die Erziehungsberechtigten dieser Kinder bekommen Schulen mit freien Kapazität genannt und eine individuelle Beratung, welche davon für das jeweilige Kind am geeignetsten ist.
Lt. Beschlussvorlage 2914/2022 an den Rat will die Verwaltung durch Nachverdichtung und Anmietungen für das kommende Schuljahr 180 zusätzliche Gymnasialplätze schaffen (unter Vorbehalt der Genehmigung von Mehrklassen durch die BezReg). Reicht dieses Gymnasialplatzangebot aus, um allen einen Platz im Stadtgebiet anzubieten?
Antwort: Die Verwaltung rechnet zum Schuljahr 2023/24 mit geschätzt 4.250 Anmeldungen an Gymnasien in Köln. Demgegenüber besteht eine Regelkapazität von insgesamt 3.765 Schulplätzen in den Eingangsklassen der Gymnasien in städtischer und nicht-städtischer Trägerschaft. Weitere Plätze sollen durch Zügigkeitserhöhungen an mehreren Gymnasien geschaffen werden. Die Kapazität kann zudem erhöht werden durch maximale Ausschöpfung der Bandbreiten zur Klassenbildung an den 33 städtischen Gymnasien mit 125 Eingangsklassen, d.h. Klassengrößen von 31 Kindern bei dreizügigen und von 30 Kindern bei vier- und mehrzügigen Gymnasien. Der Klassenfrequenzrichtwert für Gymnasien liegt bei 27.
Schrumpfendes Platzangebot:
150 Schulplätze weniger als im Vorjahr
Zum letzten Punkt des Fragenkatalogs ist dies hier zu ergänzen: Das Platzangebot stellt sich in diesem Jahr wie folgt dar: Die Stadt kann in diesem Jahr 125 Klassen an 33 Gymnasien anbieten. Insgesamt kommen so die genannten 3.765 Schulplätze zustande, ohne die privaten Träger, aber mit Ausweitung auf das absolute Maximum von 30, bei dreizügigen Gymnasien 31 Kindern pro Klasse. Dazu will die Stadt an vier Gymnasien (Pesch, Humboldt, Neue Sandkaul und Maximilian Kolbe) je eine zusätzliche Eingangsklasse schaffen, die Schulen also durch den Aufbau von Containern oder angemietete Zusatzräume in der Nähe vergrößern. Die Stadt will im Jahr drauf auch noch das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium um einen Zug erweitern.
Das wären 120 weitere Plätze. Insgesamt gäbe es dann 3.885 Plätze. Immerhin. Doch leider gibt es da noch zwei Probleme:
Erstens hat die Bezirksregierung noch keine einzige der Erweiterungen genehmigt.
Zweitens sind die Schulen überwiegend dagegen. Einzig die Schulkonferenz des Gymnasiums Neue Sandkaul in Widdersdorf hat zugestimmt, wenn rechtzeitig die umgebauten Fachräume fertig sind („Die Umbauarbeiten sind bisher noch nicht begonnen worden!“). Pesch will nur für ein Jahr eine zusätzliche Klasse bereitstellen, aber keinesfalls dauerhaft von 4- auf 5-Zügigkeit ausbauen („Die gesamte Infrastruktur der Schule ist auf eine Vierzügigkeit ausgelegt. Eltern, Schüler:innen und Kollegium schätzen die familiäre und überschaubare Atmosphäre unserer Schule.“). Die Schulkonferenz des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums in Wahn lehnt einstimmig ab, solange bis eine neue Turnhalle, Containerklassen und ein umgebauter naturwissenschaftlicher Trakt fertiggestellt sind. Auch das Humboldt ist gegen eine weitere Klasse und hat vorher eine Menge Klärungsbedarf: So fehlen schon jetzt mindestens sechs Fachräume, die Mensa ist zu klein und auch das Sporthallenangebot heute schon zu knapp. Und die Schulkonferenz des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums lehnt Pläne für das Schuljahr darauf schon mal vorsorglich ab. Und wie:
„Erst wenn die Stadt Köln das FWG mit Räumen ausgestattet hat, sodass eine vierzügige Schule gesichert funktionieren kann, wird die Schulkonferenz einer etwaigen Mehrzügigkeit zustimmen; nicht umgekehrt.“
Der weitere Fahrplan ist hier nun wie folgt: Am Donnerstag (9.2.) muss zunächst der Rat die Erweiterungen der fünf Schulen beschließen. Danach ist dann noch die Bezirksregierung dran. In der Beschlussvorlage dazu klingt der Ärger der Schulen noch mal deutlich durch: „Der Rat der Stadt Köln beauftragt die Verwaltung, die von der Nachverdichtung betroffenen Gymnasien stärker durch eine engere Kommunikation im Prozess mitzunehmen, um eine möglichst einvernehmliche Umsetzung der Maßnahmen zu erreichen.“
Wer es noch ausführlicher wissen will: Hier die Stellungnahmen der Schulen – und die Antworten der Verwaltung.
Huch: 100 Plätze weniger!
Im Vorjahr waren noch sieben sogenannte Mehrklassen dazugekommen, die das Angebot auf 3.972 Plätze als absolutes Maximum erweitert hatten. Die Bezirksregierung hat aber erklärt, zum neuen Schuljahr keine Mehrklassen mehr nach dem bisherigen Verfahren zu genehmigen. Zugleich rechnet die Verwaltung rechnet die Stadt aber mit einer fast gleich hohen Nachfrage nach Gymnasialplätzen wie im vergangenen Schuljahr. Es sind also fast 100 Plätze weniger im Angebot als im Jahr zuvor. Einem Jahr, in dem die Sache bereits Spitz auf Knopf stand.
Das Angebot könnte sich sogar noch weiter verknappen, wenn zum Beipsiel die fünf Privatgymnasien in der Stadt – darunter die drei katholischen Schulen Liebfrauen, Irmgardis und das reine Mädchengymnasium Ursulinen – weniger Plätze anbieten als im Vorjahr, wo sie durchaus tatkräftig mitgeholfen hatten, Kinder unterzubekommen. Darüber hinaus hatten zuletzt auch Schulen aus Nachbarkommunen wie Hürth, Pulheim, Dormagen oder Niederkassel immer wieder Kinder aufgenommen. Von dort ist nun immer häufiger zu hören, dass man die Plätze selbst braucht. Die Bilanz der Anfragen, die die Stadt dazu im April 2022 an elf Nachbarkommunen und 24 nicht-städtische Schulträger gerichtet hatte, klingt ernüchternd: Drei nichtstädtische Schulträger hätten ein konkretes Gesprächsangebot unterbreitet und aus drei Nachbarkommunen sei die Rückmeldung gekommen, man sei zu einem weiteren Austausch zu mittel- und langfristigen gemeinsamen Möglichkeiten bereit. Mehr nicht.
Fallen all diese Zusatzplätze weg, dann könnten sogar rund 150 Schulplätze weniger im Angebot sein als im Vorjahr – oder noch mehr. Wie diese Rechnung dann aufgehen soll, das hat die Stadt sich bisher nicht geklärt. Nach den Berechnungen der stadteigenen Task Force geht die Sache nämlich auf: Sind alle Klasen rappelvoll geplant (30 SuS in Schnitt) und nehmen die privaten Schulen wie im Vorjahr 412 SuS auf, dann kommt man doch tatsächlich auf 4.252 Gymnasialplätze bei 4.247 erwarteten Bewerbungen.
Leider hat die Rechnung ein paar Haken: Kann zum Beispiel sein, dass sich ein paar mehr Kinder bewerben als vorhergesagt. Kann sein, dass die Privatschulen anders nachgefragt werden. Kann auch sein, dass die noch freien Schulplätze einfach nicht dort frei sind, wo die Kinder leben. Bei rechnerisch gerade mal fünf Plätzen über der Nachfrage ist es keine unwahrscheinliche Prognose, dass diese Sache für einige Kinder schlecht ausgeht.
EXKLUSIV: Die Vergabekriterien
Wonach entscheiden eigentlich die Gymnasien, welche Kinder sie aufnehmen? Die Vorjahre haben gezeigt, dass die Platzvergabe auf eine Verlosung hinausläuft. Tatsächlich aber gilt dies nicht für alle Kinder und nicht an jedem Standort. Es ist vielmehr vom Wohnort und der Familiensituation abhängig, ob man in die Tombola muss – oder auch ausweichen kann.
Der Reihe nach: Grundsätzlich entscheidet jede Schulleitung für sich, welche Wahlkriterien sie nutzt, wenn mehr Bewerbungen eingehen als Plätze verfügbar sind. Sechs Kriterien stehen nach der Berücksichtigung etwaiger Härtefälle zur Auswahl. Sie lassen sich beliebig kombinieren und zudem theoretisch auch jedes Jahr anders festlegen:
(1) Geschwisterkinder, (2) ein ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, (3) ein ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache, (4) Schulweglänge, (5) der Besuch einer Schule in der Nähe der zuletzt besuchten Grundschule und (6) das Losverfahren.
Wer sich über das Procedere detailliert informieren möchte, dem sei an diese Stelle die Lektüre des nagelneuen „Leitfadens zur Organisation der Aufnahme in die Klassen 5 der weiterführende Schulen der Stadt Köln“ ans Herz gelegt. Auf 18 Seiten steuert die Stadt hier die Schulen in feinster Verwaltungsprosa durch die Untiefen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Dazu gibt es auch allerlei vorbeugende Maßnahmen, um etwaige Widerspruchs- und Klageverfahren schadlos zu überstehen. Das spricht für eine gewisse Erwartungshaltung...
Während die Stadt die Schulen also auf den Ernstfall vorbereitet, ist man gegenüber den Eltern weniger auskunftsfreudig. Auf die Frage im Schulausschuss vom 23. Januar, ob man denn nicht im Sinne der Transparenz einmal eine Übersicht über die stadtweit genutzten Vergabekriterien schaffen könnte, damit Eltern sich diese Infos mühsam zusammensuchen müssen, gab Anne Lena Ritter vom zuständigen Schulentwicklungsamt bloß zu Protokoll, dies sei Sache der einzelnen Schulen – und die sollten das dann bitte auch kommunizieren. Im erwähnten Leitfaden klingt es zunächst etwas fordernder:
„Bereits im Vorfeld des Aufnahmeverfahrens (vor Annahme der Anmeldebögen) legt jede Schule zwingend ihre Aufnahmekriterien gem. § 1 Abs. I APO-SI fest. Die Auswahl der Kriterien ist zu dokumentieren, da diese bei einem etwaigen Widerspruchs-/ Klageverfahren relevant sind.“
Dann aber bleibt die Stadt doch eher unverbindlich – wohl wissend, dass sie den Schulleitungen hier keine großen Vorschriften machen kann:
„Bitte geben Sie Ihre Aufnahmekriterien vorab bekannt (z. B. Homepage, Tag der offenen Tür, Elterngespräch).“
Was soll man sagen? Genau so unverbindlich und uneinheitlich kommunizieren die Schulen denn auch. Im Dezember habe ich erstmals sämtliche Gymnasien nach den Vergabekriterien gefragt. Nicht mal jede zweite Schule hatte dazu aktuelle Infos online. Das hat sich bin heute nicht substanziell geändert – und gehörte es bisher zu den gute gehüteten Geheimnissen, was die Gymnasien in Köln eigentlich tun, wenn sie mehr Bewerbungen als Plätze haben. Nun kann ich es lüften – und kann exklusiv einen stadtweiten Überblick geben.
Mit zwei Einschränkungen: Das Genoveva-Gymnasium in Mülheim teilte mir zwar auf Anfrage mit, man würde die Infos zum 5.12. online stellen. Stand 6.2. ist das aber nicht passiert – oder ich bin nicht in der Lage, die Info zu finden. Das Erich-Kästner-Gymnasium (EKG) in Niehl antwortete auf Nachhaken nicht. Und im Internet steht zur Sache lediglich: „Für den Fall, dass die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität der Schule übersteigt, geben die gesetzlichen Grundlagen sechs Kriterien vor […] Nicht alle Kriterien müssen von der Schule herangezogen werden.“ Im Vorjahr hatte das EKG nach der Kombi „Geschwister, Geschlecht, Los“ entschieden. Ich vermute, das dies auch in diesem Jahr wieder so sein wird.
Für die weiteren 31 Gymnasien ergibt sich folgendes Bild
14 wählen die Kombination „Geschwister, Los“
Königin-Luise-Schule (KLS), Kaiserin-Augusta-Schule (KAS), Hansa, Humboldt, Kreuzgasse, Neue Sandkaul, Georg-Büchner (GBG), Albertus Magnus (AMG), Heinrich Mann (HMG), Stadtgymnasium Porz, Heinrich-Heine-Gymnasium, Kaiserin-Theophanu-Schule, Rhein-Gymnasium und Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium
9 (bzw. 10 mit dem EKG) wählen die Kombination „Geschwister, Geschlecht, Los“
Friedrich Wilhelm (FWG), Gymnasium Rodenkirchen, Apostelgymnasium (APG), Elisabeth von Thüringen (EVT), Schiller-Gymnasium, Hildegard von Bingen (HVB), Montessori-Gymnasium (Monte), Dreikönigs-Gymnasium (DKG) und Hölderlin-Gymnasium (SHG)
8 Gymnasien setzen als Auswahlkriterium auf eines der beiden Nähe-Kriterien (Schulweglänge oder Nähe zur zuletzt besuchten Grundschule) in unterschiedlichen Varianten. Laut eigener Auskunft lauten die Wahlkriterien hier wie folgt:
Schaurtestraße: Geschwister, Geschlecht, Schulweg, Los
Thusneldastraße: Geschwister, Schulweg, Geschlecht, Herkunftssprache
Zusestraße: Geschwister, Grundschule, Geschlecht, Los
Aachener Straße: Geschwister, Schulweg
Leonardo-da-Vinci: Geschwister, Schulweg, Los
Pesch: Geschwister, Geschlecht, Schulweg, Los
Lessing: Geschwister, Grundschule, Los
Maximilian Kolbe: Geschwister, Geschlecht, Grundschule, Los
Jedes vierte Gymnasium weicht aus
Zusammengefasst ergeben sich daraus folgende Erkenntnisse:
Kinder, die ihren älteren Geschwistern auf dieselbe Schule folgen, haben einen Platz sicher. Darauf zu verzichten und das Kind an einer anderen Schule anzumelden auf die Gefahr hin, in einem Lostopf zu landen, sollte man sich wirklich gut überlegen.
Die beiden Deutzer Gymnasien haben sich dafür entschieden, Kinder aus der Nachbarschaft zu bevorzugen. Die beiden im vergangenen Jahr neu eröffneten Gymnasien im Westen verfahren ähnlich (Zusestr. In Lövenich, Aachener Str. in Müngersdorf). Heißt: Wer in Deutz wohnt oder in der Nähe der beiden neuen Schulen im Stadtbezirk Lindenthal, ist ebenfalls recht sicher versorgt, wenn er sich entscheidet, im Quartier zu bleiben.
Beim Kolbe-Gymnasium in Porz-Wahn und beim Zündorfer Lessing-Gymnasium entscheidet ebenfalls Nähe über die Aufnahme. Für Kinder aus Langel, die schon im vergangenen Jahr reihenweise Ablehnungen von Lessing kassierten, ist das eine schlechte Nahcricht. Denn ihnen droht erneut einer Zitterpartie. Der Grund: Von Langel aus liegt keine andere Schule auf dem Stadtgebiet in gut erreichbarer Nähe. Am Lessing aber könnten die Plätze wie im Vorjahr schon von den GrundschülerInnen aus Zündorf belegt sein.
In Sülz und Klettenberg, wo es in den Vorjahren besonders schwierig wurde, zählt Geschlechterparität noch etwas, in der Innenstadt offenbar so gut wie nicht mehr. An den Sülzer Schulen landet man also in geschlechtergetrennten Losverfahren, anderswo wird aus demselben Topf gezogen. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil das Geschlecht der Kinder bei Anmeldung gar nicht mehr angegeben werden muss.
Das immer wieder mal geäußerte Gerücht, dass Schulen die Entfernung als Auswahlkriterium gar nicht rechtssicher heranziehen könnten, ist offensichtlich genau das: bloß ein Gerücht. Jedes viere Gymnasium setzt inzwischen darauf.
Unterm Strich heißt das:
Kinder, die keine älteren Geschwister an der Wunschschule haben oder nah an einem der acht oben genannten Gymnasien wohnen, müssen damit rechnen, in einer Verlosung zu landen. Zugleich ist eine Bewerbung an den Schulen, die nach Nähe entschieden, sinnlos, wenn man nicht nah dran wohnt.
Wer zum Beispiel, wie vor zwei Jahren noch von der Stadt empfohlen, aus dem Kölner Westen in Richtung Deutz ausweichen will, dürfte chancenlos sein. Auch die neue Schule an der Aachener Straße sieht sich als Nahversorger. Die Schulen an der West-Ost Verkehrsachse mit den KVB-Linien 1 und 7 sind für einpendelnde Schülerinnen und Schüler kaum erreichbar. Und: Das Angebot für die Kinder in den südwestlichen Stadtteilen wie Sülz, Zollstock, Klettenberg und Lindenthal, wo zuletzt besonders große Platzknappheit herrschte, ist nicht größer geworden, sondern kleiner. Zumal in gut erreichbarer Nähe für dieses Jahr vorerst keine Mehrklasse mehr eingeplant ist. Im Vorjahr hatte es am FWG eine zusätzliche Klasse gegeben. Für dieses Jahr ist am Humboldt zwar ein weiterer Zug angekündigt. Der ist aber, wie oben erwähnt, noch nicht beschlossen und genehmigt und wird von der Schulkonferenz klar abgelehnt.
Und nun? Augen auf – und durch
Der Schulwechsel von der Grundschule bleibt auch in diesem Jahr für viele Kinder in Köln eine Frage des Losglücks. Die über 700 abgelehnten Gesamtschulkinder haben das bereits erfahren. Für die Kinder, die aufs Gymnasium wechseln wollen, stehen die Entscheidungen in der kommenden Woche an. Und solange die Stadt Köln derart wenige Schulplätze anbieten kann, wird die Sache nicht ohne Härten ausgehen können. Es ist sicher klug, die Kinder darauf vorzubreiten, dass es mit der Wunschschule vielleicht nicht klappen könnte.
Umso unverständlicher ist es, dass die Stadt es in dieser prekären Lage wieder nicht schafft, ein transparentes Vergabeverfahren zu organisieren, das Eltern und Kindern – wenn es schon keine echte Schulplatzwahl gibt – wenigstens vorab klarmacht, wie die Chancen zur Aufnahme an den einzelnen Schulen stehen.
Das sei Sache der einzelnen Schulen, heißt es bei der Verwaltung schulterzuckend. Während man im vergangenen Jahr immerhin noch die „Prüfung zur Möglichkeit zur Nutzung eines digitalen Anmelde-Tools“ versprach, hieß es zu dem Punkt beim Schulausschuss im Januar: Das sei schon deshalb nicht möglich, da das Land vorschreibe, den ausgedruckten Anmeldebogen persönlich abzugeben. Seltsam nur, dass Schulen in anderen NRW-Kommunen längst mit einer digitalen Anmeldung werben, wie zum Beispiel das Dürener Burgau-Gymnasium.
Auch die Stadt koordiniert alle Anmeldungen über eine NRW-Verwaltungssoftware mit dem hübschen Namen Schild. Bloß teilt sie den Eltern die Ergebnisse aus dieser Datenbank nicht mit. Wer wissen will, wie viele Plätze wo vorhanden sind, muss sich durch die Datnbank mit den Ratsinformationen wühlen. Auch die Zahl der Geschwisterplätze, die an allen Schulen vor Verlosung verteilt werden, ist nirgenwo hinterlegt. Dabei ist damit oft ein Drittel aller Plätze schon weg, wie Erfahrungen aus dem Vorjahr zeigen. agt einem bloß nimand. Und im Verfahren vor zwei Jahren, das ähnlich ablief wie in diesem Jahr, gab man nicht mal nach der Losrunde die Ergebnisse bekannt: Statt zum Beipsiel einfach mal offenzulegen, wie viele Plätze konkret noch wo zu haben sind, bekamen Eltern bloß eine Liste mit Namen von Schulen, die "noch freie" oder „nur noch geringe“ Kapazitäten haben.
Die Stadt hat bisher keine Hinweise gegeben, die darauf schließen lassen, dass sie diesmal anders handeln will. Warum man all die Fakten nicht auf den Tisch legt? Bleibt Geheimnis der Verwaltung. Ach so: Ein Grund könnte natürlich sein, dass man gar nicht weiß, wie viele Plätze noch zu haben sind. Etwa an den vier Schulen, die 120 zusätzliche Plätze bereitstellen sollen – das aber gar nicht wollen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
PS: An den Grundschulen ist der Schulmangel inzwischen auch angekommen. Grausige Geschichte. Dazu ein andermal mehr.
PPS: Wenn Euch und Ihnen gefällt, was wir hier so treiben: Gern weitersagen.
Zum Beipsiel mit Verweis auf die-abgelehnten.de.