Die Abgelehnten (#13): Neues Jahr, neues Spiel

Hallo zusammen,

am Montag geht es wieder los: Die Hauptverlosungbewerbungsrunde um die Schulplätze an Gymnasien, Haupt- und Realschulen startet. Bis Ende der Woche suchen nämlich noch mehr als 6000 Viertklässler*innen einen Schulplatz. Sie kommen zu den über 3000 Kindern hinzu, die bereits in der Woche vom 26.1. bis 2.2. versucht haben, einen Platz an einer Gesamtschule zu ergattern, oder die sich im ebenfalls vorgezogenen Anmeldeverfahren bis Veilchendienstag für eines der beiden neu gegründeten Gymnasien in Rondorf erwärmen konnten. Dazu weiter unten mehr…

Nun erst mal rein in die Hauptrunde – mit ein paar Anmerkungen zur Schulwahl.

Vorab ein paar Worte zur allgemeinen Lage. Die Stadt hat in diesem Jahr fünf neue Schulen an den Start gebracht: drei Gesamtschulen und zwei Gymnasien. Das ist ein Fortschritt, weil das Angebot an Schulplätzen damit um fast 600 steigt. (Für die, die es ganz genau wissen wollen: Im vergangenen Jahr gab es 9384 Plätze an weiterführenden Schulen, davon 8661 in städtischer Trägerschaft. Dieses Jahr sind es mit den fünf städtischen Schulen 579 mehr. Zudem können bis zu 108 Kinder die neue Erzbischöfliche Gesamtschule in Kalk besuchen.) So scheint die allergrößte Not gelindert.

Wer den Newsletter kennt, der weiß. Eine solch frohe Botschaft bleibt nicht ohne großes ABER. Denn auch wenn die Stadt mächtig stolz ist auf die neuen Schulen, bleiben viele Probleme ungelöst.

Werbung die neuen Schulen in Rondorf, Nippes und Weidenpesch im Bürgerzentrum Porz
  1. Auch das vergrößerte Angebot ist alles andere als ausreichend für eine freie Schulwahl. So musste die Stadt im vergangenen Jahr 705 Kindern bei der Bewerbung um einen Gesamtschulplatz absagen. Es kommen aber – selbst mit der vierzügigen Schule der katholischen Kirche – maximal 486 Plätze dazu. Und die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen steigt seit vielen Jahren an, so dass das Angebot weiterhin zu klein bleibt.

    Das Bewerbungsverfahren für Gesamtschulen ist bereits abgeschlossen. Die Stadt wird also inzwischen wissen, wie viele Kinder auch dieses Jahr leer ausgingen. Veröffentlicht hat sie die Zahlen bisher nicht. Das nährt Gerüchte. So meldete der Kölner Stadt-Anzeiger mit Verweis auf einen Insider, dass die Willy-Brandt-Gesamtschule in Höhenhaus und die Heinrich-Böll-Gesamtschule in Chorweiler jeweils mehr als 100 Bewerbungen ablehnen mussten.
  2. Die Schülerzahlen steigen. Dieses Jahr rechnet die Stadt laut Schulentwicklungsplan bereits mit rund 300 Fünftklässlern mehr als im Jahr zuvor. In zwei Jahren sollen noch mal 200 Kinder mehr auf eine weiterführende Schule wechseln. Auch das zeigt, dass das neue Platzangebot kaum neue Spielräume bei der Schulwahl schafft.
  3. Die Schulen starten nicht am rechten Ort. Besonders große Schulplatzknappheit herrschte zuletzt bei Gesamtschulen im Rechtsrheinischen und im Norden. Zwei der drei neuen städtischen Gesamtschulen starten aber tief im Westen, in Müngersdorf bzw. im Vogelsanger Gewebegebiet „Am Wassermann“. Die eine der beiden Schulen bleibt dauerhaft dort, die andere soll in zwei Jahren in einen Neubau nach Ossendorf umziehen. Die dritte neue Gesamtschule in Weidenpesch übernimmt vorerst den Containerriegel des Dreiköniggymnasiums in Bilderstöckchen. Umzug in die eigenen vier Wände nicht vor 2030.

    Bleiben noch die zwei neuen Gymnasien. Für die gibt es noch nicht mal einen Bauplatz. Das sogenannte Rondorfer Gymnasium ist vorerst in Rodenkirchen im Provisorium der jüngst erweiterten Gesamtschule untergebracht. Das Nippeser Gymnasium befindet sich bis auf Weiteres im Toni-Steingass-Park. Von beiden Schulen heißt es offiziell, sie "sollen voraussichtlich" zum Schuljahr 2028/29 in ihr eigenes Schulgebäude einziehen – wo auch immer das dann sein mag. Das schlaue Textverarbeitungsprogramm Word unterschlängelt in diesem Satz die Wörter „sollen“ und „voraussichtlich“ mit dem Hinweis: „Versuchen Sie, überflüssige Ausdrücke zu vermeiden.“ Warten wir es ab…
  4. Eltern und Kinder wollen nicht dahin, wo die Stadt sie gerne hätte. Das Ergebnis der Standortplanung für die neuen Schulen ist: ein Desaster. Die Stadt musste für alle vier Provisoriums-Schulen die Anmeldefristen gleich zweimal verlängern, bis einigermaßen auskömmlich viele Anmeldungen zustande kamen, so dass die Schulen überhaupt starten können. So richtig verwunderlich ist das nicht: Trotz aller Not sind die Eltern eben nicht so verzweifelt, ihre Kinder an einer Schule anzumelden, die im Gewerbepark oder in Containern an einem Ort startet, wo sie nicht bleiben soll, ohne zu wissen, ob die Kinder den Umzug überhaupt noch erleben.

    Eine Schule im Aufbau zu wählen, in der die Kinder immer der älteste Jahrgang sein werden, ist vielen schon Abenteuer genug. Eine Schule ohne Schule ist dann ganz offenbar vielfach bloß noch zweite Wahl. Beide Gymnasien melden jedenfalls auf ihrer Website noch immer freie Plätze. Eine Bewerbung ist dort weiterhin jederzeit möglich. Am Rande sei noch mal erwähnt: Sowohl in Nippes als auch in Rondorf sprachen sich die Bewohner und Politiker vor Ort für neue Gesamtschulen aus – bekamen nun aber nach Beschluss der Ratsmehrheit Gymnasien.
  5. Die nächsten Probleme deuten sich schon an. Ich will nicht Schwarzmalen und die Stadt hat durchaus noch weitere Schulgründungen auf der Agenda. Aber in den kommenden Jahren stehen uns, auch wenn es dieses Jahr einigermaßen glimpflich ablaufen sollte, gleich mehrere weitere Unruheherde ins Haus:
  • Da ist beispielsweise die beunruhigende Entwicklung mit immer mehr Kindern, die bereits in der Grundschule eine Klasse wiederholen. Im vergangenen Jahr blieben 640 Kinder in der ersten Klasse sitzen, in diesem Jahr könnten es nach aktuellen Einschätzungen sogar 850 sein – fast ein Zehntel. Wenn sich das fortsetzt, werden die Schülerzahlen massiv schwanken, so stark wie nie zuvor. Für eine Lage, in der der Jahrgang für Jahrgang mal 200, 300 Kinder weniger oder mehr die Schule wechseln als geplant, gibt es in der auf Kante genähten Schulentwicklungsplanung keinerlei Puffer.  
  • Bereits in zwei Jahren, zum Schuljahr 2026/27, erwartet uns der Wechsel zurück von G8 zu G9. Dann bleibt ein kompletter Gymnasialjahrgang in der Schule, es gibt also quasi keine Abiturient*innen. Und dann wird es richtig eng. Etwa jedes dritte Gymnasium wird nach aktuellem Stand mit der Lage räumlich komplett überfordert sein. Das hat eine eigens eingerichtete Taskforce der Stadt in einem Ampelsystem erhoben, in dem die Schulen auf ROT stehen. Die Lage ist also dramatisch. Nur gelöst ist das Problem bislang nicht. Aber es bleiben ja noch zwei Jahre… 
  • Es sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass Schulklassen in Köln seit Jahren knallvoll gepackt werden, damit überhaupt alle einen Platz bekommen können. Ich will das mal am Beispiel verdeutlichen. Köln hatte im vergangenen Jahr 125 fünfte Klassen an Gymnasien. Bis zum Schuljahr 2025/26 steigt das Angebot nach Plan auf 150 Klassen. Der sogenannte Klassenfrequenzrichtwert, das ist die Zahl der Kinder pro Klasse, die im Schulgesetz eigentlich vorgesehen ist, liegt bei Schulen ohne Inklusion bei 27. Heißt: Mit 25 zusätzlichen Klassen entstehen 25x27=675 regelhafte neue Plätze, insgesamt sind es dann 150x27=4050 Plätze – ich lasse die Klassen des Gemeinsamen Lernens aus der Rechnung heraus, um es nicht noch komplizierter zu machen.

    In Köln sind nun aber grundsätzlich 30, in dreizügigen Gymnasien sogar 31 Kinder in den neuen fünften Klassen. Das ist die absolute Obergrenze, die in NRW gerade noch zulässig ist, „soweit im Einzelfall zur Klassenbildung erforderlich“. Der Einzelfall ist in Köln seit vielen Jahren die Regel. Heißt: in 125 Klassen saßen zuletzt bis zu 375 Kinder mehr als eigentlich vorgesehen. Von den 25 neuen Klassen bräuchte es damit allein 14 für die Kinder, die man seit Jahren in andere Klassen stopft, um mal wieder auf den Richtwert zu kommen. Gewonnen ist also viel weniger als die großen Zahlen der Stadt uns glauben machen wollen.

    Es wundert mich nicht, dass mancher Schulleiter bei Neubauten die Räume gern etwas kleiner planen lässt, damit in die Klassen nicht noch mehr Tische passen...

Ein Durchbruch in Sachen freier Schulplatzwahl ist damit jedenfalls in den Stadtteilen, in denen das Angebot weiter viel bleibt als die Nachfrage, nicht geschafft.

Nun noch ein paar Hinweise zur kommenden Woche

  1. Die Stadt hat tatsächlich ein paar hilfreiche Infos zum Verfahren auf einer offiziellen FAQ-Seite  zusammengetragen und sogar eine E-Mail-Adressen schulanmeldungen-sek@stadt-koeln.de .für Fragen freigeschaltet. Es lohnt, da mal draufzuschauen oder auch per Mail nachzufragen. Dafür ist das Amt ja da… Gut und übersichtlich erklärt ist der Ablauf zudem auch im Kölner Stadt-Anzeiger.  
  2. Zum Thema Aufnahmekriterien ist zu ergänzen, was ich im Newsletter #10 ausführlich beschrieben habe: Jede Schule macht, was sie will – und manche haben auch die Auswahl-Kriterien, die ich für das Vorjahr mühsam zusammengetragen habe, wohl auch schon wieder geändert. Wer etwas weiß und Aktualisierungshinweise schicken mag, melde ich gern bei mir.
  3. Ach so: Die sogenannten Zweitwünsche entpuppten sich wie in den Vorjahren erneut als Fake. Es sind nämlich keine Wünsche, sondern bloß Zustellhilfen für das Bewerbungsformular. Bedeutet: Wer eine Absage von einem Gymnasium bekommt und zufällig eine Schule in das Feld geschrieben hat, die noch mindestens einen freien Platz hätte, dessen Bewerbung wird per Hauspost an diese Schule weitergereicht. Auf die freien Plätze können sich aber völlig unabhängig davon alle bewerben, die noch einen Platz brauchen – Zweitwünsche genießen keinerlei Priorität. Wer im Lichte der neuen Lage sein Kind lieber anderswo anmelden will, muss den Bogen dann an der sogenannten Zweitwunschschule wieder abholen. Meine Empfehlung: Das Feld besser leer lassen. Dann kommt der Anmeldebogen bei Absage zurück. Und man muss eh neu überlegen.

Wer in den kommenden Tagen oder Wochen Fragen hat oder mitbekommen will, was so läuft, kann sich zudem auf der Whatsapp-Gruppe der Abgelehnten anmelden, wenn nicht schon geschehen. Denk Link gibt’s auf Anfrage oder über die eigene Bubble.

 

Viel Erfolg – ich drücke allen feste die Daumen!

 

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Jamie Larson
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